Getreide: Verlierer des Freihandels
Eine neue Studie der HAFL (Zollikofen) zeigt die Folgen verschiedener internationaler Freihandelsabkommen mit der EU und/oder den USA für die Schweizer Landwirtschaft auf. Diese Studie kommt zum Schluss, dass diese Richtung einerseits die richtige und andererseits die einzig mögliche für die Zukunft ist, weil dadurch der globale Wohlstand der Schweiz ansteigt (unter bestimmten Hypothesen).
Ohne eine Leidenschaft für die Geschichte zu haben, ist es dennoch interessant, einige Parallelen zu ziehen. Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt der offene Marktzugang als Wundermittel. Dank der Verbesserung der Transportmittel erlaubte der Getreideimport vom amerikanischen Kontinent die Versorgungsprobleme zu lösen. Die darauffolgenden Zeiten von Kriegen, Rationalisierungen oder politischer Instabilitäten waren vor allem in Europa besonders schlimm. Schrittweise machte der Liberalismus Platz für verschiedene Bundesmassnahmen zur Sicherung einer Versorgung mit inländischem Getreide.
Von weniger als 100‘000 Tonnen vor dem ersten Weltkrieg, stieg die Brotgetreideproduktion in der Schweiz auf heute 400‘000 Tonnen an, was einem Selbstversorgungsgrad von rund 85% entspricht.
Es ist interessant zu bemerken, dass die Resultate aus der Studie der HAFL bei einem trilateralen Abkommen EU-USA-Schweiz eine Preisreduktion für Brotgetreide von rund 50% vorhersehen. Da die anderen Produktionsbranchen bei einem solchen Szenario ebenfalls betroffen wären, jedoch in geringerem Masse, droht die Getreideproduktion in der Schweiz stark abzunehmen. Der Einfluss auf die nachgelagerten Stufen (Sammelstellen, Mühlen, Bäcker, usw.) bezüglich der Arbeitsplätze, der Skaleneffekte und der Investitionen ist bedeutend, auch wenn die Studie der HAFL diese Aspekte nicht in den globalen Berechnungen aufführt. Bis zu welchem Punkt wird es interessant sein, Brotgetreide für die Weiterverarbeitung in die Schweiz zu importieren? Ist es nicht sinnvoller, Mehl zu importieren, oder gar Fertigprodukte? Dies wird heute bereits gemacht…
Die Swissness und die Qualitätsstrategie basieren auf inländischen Rohstoffen, verarbeitet in der Schweiz, um unsere Bevölkerung zu ernähren. Das Exportpotential von Massenprodukten ist limitiert. Um die offensichtlichen Widersprüche zwischen Freihandelsabkommen und Versorgung zu beheben, gibt es zurzeit keine klare Strategie. Die Getreideproduktion bleibt für die Schweiz jedoch strategisch wichtig, weshalb auf die eine oder andere Weise ein Grenzschutz erforderlich ist.
Die Schweizer Bevölkerung sollte sich klar zu diesen Herausforderungen äussern. Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, zeigt sie doch klar die Vorteile einer inländischen Versorgung auf. Die Welt ändert sich und die Gefahren sind nicht dieselben. Dennoch können weltweite Nahrungsmittelkrisen nicht ausgeschlossen werden. Es ist falsch zu glauben, dass die Freihandelsabkommen alles regeln würden. Die Sicherstellung einer Schweizer Produktion hat ihre Kosten, aber es ist die Wahl einer verantwortungsvollen Gesellschaft.